Geprellte Öko-Anleger verklagen Spanien
Circa 4.300 deutsche Solarpark-Anleger verklagen gemeinsam den spanischen Staat. Mithilfe eines Schiedsverfahren wehren sie sich dagegen, dass Spanien die Solarsubventionen rückwirkend gekürzt hat. Statt der erhofften 7 Prozent Rendite erhalten die Investoren derzeit keinen Cent.

Photovoltaikanlage in Spanien (Foto: José Sáez)
Hermann Klughardt, Geschäftsführer des Fondsanbieters Voigt & Collegen mit Sitz in Düsseldorf, tritt in naher Zukunft im Namen von rund 4.300 Privatanlegern gegen Spanien vor Gericht. Klughardt setzt derzeit alles daran eine Schadensersatzklage gegen Spanien in die Wege zu leiten. Die wichtigsten Vorbereitungen sind bereits getroffen. Ein Gutachter berechne derzeit die Schadenshöhe und ein Prozesskostenfinanzierer sei bereits engagiert.
Jeder der deutschen Anleger hat laut Klughardt mindestens 10.000 Euro in den Solarpark Badajoz bei Cordoba investiert. Obwohl die Solaranlagen erhebliche Mengen an Solarstrom produzieren, ist das erhoffte Resultat 30 bis 40 Prozent niedriger als erwartet. Deshalb erhalten Investoren derzeit anstatt der erhofften 7 Prozent Gewinn pro Jahr gar nichts.
Grund für die Abzocke der Investoren und Anleger sind laut Klughardt die seit 2010 enorm verkürzten Einspeisevergütungen für Solarstrom. Die verschuldete spanische Regierung musste diese Kürzungen vornehmen, da die anfänglichen Zusagen zu einem jährlichen Verlust von vier Millionen Euro geführt hätten.
„Spanien hat ausländische Investoren ins Land gelockt und Zusagen kurzerhand einkassiert“, sagt Klughardt der WirtschaftsWoche. Er beschreibt das Verhalten der spanischen Politiker als „absolut nicht hinnehmbar“ und unterstellt ihnen einen Verstoß gegen die eigenen Gesetze.
Voigt & Collegen sind in ihrer Anfechtung gegen den spanischen Staat allerdings nicht allein. Weitere Fondsanbieter wie zum Beispiel MPC Capital Hamburg, sowie die Energiekonzerne Steag und RWE Innogy wollen Spanien ebenfalls verklagen und fordern einen Schadensersatz.
Anleger verklagen Spanien: Doch wie verklagt man als Unternehmen oder Privatanleger einen ganzen Staat? Das Schlüsselwort hierfür: per Schiedsverfahren. Dieses Phänomen kennt man im Zusammenhang mit der aktuellen TTIP.Kritik. Das transatlantische Freihandelsabkommen soll dafür sorgen, dass US-amerikanische Investoren gegen politische Entscheidungen in der Europäischen Union klagen können, sowie umgekehrt. Dies soll nicht vor staatlichen Gerichten sattfinden, sondern im Rahmen eines privaten Schiedsgremiums.
Ein Beispiel hierfür ist der deutsche Energiekonzern Vattenfall, welcher Deutschland per Schiedsverfahren verklagte, da er seine Kernkraftwerke stilllegen musste. Kritiker sehen das Schiedsverfahren, welches in der globalisierten Welt einen stetig wachsenden Platz einnimmt, als „undemokratisch und eines Rechtsstaates unwürdig“.
Anleger verklagen Spanien
Leichter gesagt als getan. Die klagenden Solaranleger sind nicht nur Großkonzerne und Investoren, die versuchen dem Staat auf Kosten der Bevölkerung Geld zu entlocken. Unter ihnen gibt es auch einige Privatanlege, die auf eine sinnvolle und effiziente Geldanlage gehofft hatten und teils auch auf diese angewiesen sind. Betrachtet man die Situation aus der Perspektive eines solchen Privatinvestors, so ist es wohl verständlich und einleuchtend, dass dieser auf sein Recht, in diesem Fall 7 Prozent des jährlichen Gewinns, beharrt und dafür auch bereit ist, vor Gericht zu gehen.
Jan Schäfer, Spezialist in Sachen Schiedsverfahren, ist der Meinung, dass die Privatanleger von Glück reden können, da ihr Anliegen vor einem Schiedsgericht ausgehandelt wird. Reguläre Gerichtsverfahren, die vom Staat finanziert werden sind in solchen Fällen scheinbar eher weniger neutral.
Schäfer ist Anwalt der Kanzlei King & Spalding mit Sitz in Frankfurt. Er und sein Team betreuen mehrere Verfahren gegen Spanien. Die Sammelklage einiger Privatanleger die in spanische Solarparks investiert haben ist nur eine von vielen. Um genau zu sein 20. Die Sammelklage der Privatanleger ist seit Juni 2015 bei dem Schiedsgericht der Weltbank registriert.
Neben RWE Innogy und Steag haben auch kommunale Stromerzeuger wie Stadtwerke München oder Rheinenergie Spanien verklagt. Allesamt fühlen sich in ihren Investitionen in das Solarkraftwerk Andasol 3 in mitten der spanischen Provinz Granada hintergangen.
Ob Privatanleger oder großer Energiekonzern, sämtliche Kläger beziehen sich auf den 1994 von 40 Staaten, darunter auch Spanien, unterzeichneten „Energiecharta – Vertrag“, dessen Augenmerk vor allem den Rechten ausländischer Investoren im Energiesektor gilt.
Laut Expertenmeinung von Jan Schäfer werden bis hin zum endgültigen Schiedsspruch mindestens zwei bis drei Jahre ins Land ziehen. Doch scheinbar lohnt sich das lange warten. Die Chancen der Kläger stehen gut, so Schäfer, da die rückwirkende Solarsubventionskürzung eindeutig als Rechtsbruch Spaniens einzustufen ist. Interessanter allerdings ist die genaue Schadenersatzhöhe. Verschiedene Gutachter der Klägerseite, sowie Seiten Spaniens, berechnen derzeit den entstandenen Schaden und sollen diesen den Schiedsrichtern überzeugend vorführen.
Fraglich wird die öffentliche Austragung des Schiedsgerichtes sein. Aufgrund der wachsenden Kritik werden Schiedsverfahren zwar immer häufiger öffentlich ausgetragen, doch in diesem Falle beharrt Spanien auf Diskretion und Verschwiegenheit. Kläger wie White Owl gehen beispielsweise gänzlich auf keinerlei Fragen ein.
Klughardt hingegen ist mit seiner offenkundigen Aufklärung eher ein Seltenfall. Der Geschäftsführer von Voigt & Collegen verlangt für die beiden Fonds SoIES21 und 22 voraussichtlich einen Schadensersatz im dreistelligen Millionenbereich. Hierzu trägt auch die Fondslaufzeit von elf Jahren bei und die damit einhergehenden sich summierenden Defizite. Insgesamt haben Voigt & Collegens Fonds rund 100 Millionen Euro in den Solarpark Badajoz investiert. Des Weiteren investierte Klughardt in Solaranlagen in Italien.
Im Falle eines investorenfreundlichen Urteils, würde Spanien dieses ohne Widerrede hinnehmen? Schiedsverfahrensexperte Schäfer ist optimistisch, da Spanien sich völkerrechtlich verpflichtet hat, ICSID-Schiedssprüche zu akzeptieren und anzuerkennen. Im Falle von Inakzeptanz der spanischen Seite könnten Anleger und Investoren weltweit spanisches Vermögen pfänden lassen.
Üblicher als Hinnehmen ist, laut Schäfer, den ganzen Prozess über ein Annullierungsverfahren in die Länge zu ziehen. Dieses veranlasst die Schiedsrichter alle Formalien auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Bei einem so großen Fall wie diesem könnte Spanien das Verfahren noch weitere ein bis zwei Jahre hinauszögern.
Ein endgültiger Schiedsspruch wär frühestens nach Ablauf der nächsten drei bis fünf Jahre zu erwarten. Problematisch wird es bei einer so langen Zeit vor allem für die Investoren und Kläger, da einige Solarparks bereits rote Zahlen schreiben und bei wachsenden Defiziten die Wahrscheinlichkeit nicht geringer wird, dass einer dieser insolvent geht. Um eine Insolvenz der Solarparks zu vermeiden, arbeitet Hermann Klughardt an einem Sanierungskonzept. Ebenso die Tatsache, dass Schiedsverfahren nicht verjähren können, lassen Klughardts Optimismus nicht in die Knie gehen.